Werbung mit umweltbezogenen Aussagen wie „nachhaltig“, „klimaneutral“, „umweltneutral“ oder „umweltschonend“ sind beliebt und allgegenwärtig. Die Werbung mit solchen „Claims“ ist aber rechtlich riskant. Einerseits fehlt es bislang an klaren gesetzlichen Vorgaben, andererseits stellen die deutschen Gerichte zunehmend strengere Anforderungen an solche Werbeaussagen. In diesem Beitrag stellt Rechtsanwalt Dr. Markus Hecht dar, worauf im Rahmen umweltbezogener Werbung zu achten ist und welche gesetzlichen Änderungen zu erwarten sind.
Das Thema Nachhaltigkeit ist omnipräsent und hat längst zu einem steigenden ökologisch bewussten Konsumverhalten geführt. Hand in Hand mit dem wachsenden Interesse an Informationen zur Umweltverträglich von Produkten gibt es vermehrt Werbeaussagen dazu, weshalb ein Produkt besonders umweltfreundlich sei. Aus rechtlicher Sicht sind umweltbezogene Werbeaussagen jedoch problematisch und beschäftigen zunehmend die deutschen Gerichte. Spezifische Anforderungen an solche Werbeaussagen finden sich im deutschen Recht bislang nicht. Ausgangspunkt von Gerichtsverfahren, die zumeist durch Verbraucherzentralen oder Wettbewerber angestrengt werden, ist typischerweise das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Dieses untersagt irreführende Werbepraktiken. Danach ist es gem. § 5 UWG unzulässig, Werbeaussagen zu tätigen, die sich dazu eignen, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dies umfasst besonders Aussagen, die den falschen Eindruck erwecken, dass ein Produkt besonders umweltverträglich sei, obwohl dies in Wahrheit nicht oder nicht in diesem Umfang der Fall ist. Eine solche unlautere Irreführung kann nach § 5a UWG auch daraus resultieren, dass dem Verbraucher wesentliche Informationen vorenthalten werden, die dieser benötigt, um die umweltbezogene Werbung richtig einzuordnen, zu verstehen und so eine informierte Kaufentscheidung treffen zu können. Entsprechende Regelungen finden sich auch in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, denn das Lauterkeitsrecht ist innerhalb der Europäischen Union weitgehend harmonisiert.
Was vor diesem Hintergrund letztlich als irreführend gilt, lässt sich abstrakt schwer sagen. Auch in der Rechtsprechung hat sich noch keine klare Linie dazu herausgebildet, welche Aussagen zulässig sind und was als Irreführung gilt. Viele Einzelfragen sind noch offen.
Grob gilt Folgendes: Soweit der verwendete Werbeclaim nicht aus sich heraus verständlich ist, muss der Werbende darüber aufklären, was damit eigentlich gemeint ist. Während die Gerichte die Aussage „klimaneutral“ für verständlich halten, muss die Bedeutung von konturlosen Begriffen wie „umweltfreundlich“ erläutert werden (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.11.2022 – 6 U 104/22 – Klimaneutral). Besondere Vorsicht ist zudem bei der Formulierung geboten: Während der Verbraucher bei dem Begriff „klimaneutral“ damit rechnen wird, dass die Neutralität üblicherweise bilanziell durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird, ist der Begriff „emissionsfrei“ so zu verstehen, dass keinerlei Emissionen verursacht werden, was nicht zutreffend, da nicht möglich sein dürfte.
Im Hinblick auf die beliebte Werbeaussage „klimaneutral“ besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der Werbende angeben muss, wie die Klimaneutralität des Produkts erreicht wird, insbesondere, ob dies durch eine Reduktion der Emissionen bei der Produktherstellung und/oder durch Kompensationsmaßnahmen gelingt (so etwa OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.11.2022 – 6 U 104/22 – Klimaneutral). Eine andere Frage ist es, welche Kompensationsmaßnahmen ausreichen, um mit „klimaneutral“ werben zu dürfen. Häufig engagieren sich Unternehmen in Waldschutzprojekten und versuchen den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 dadurch zu kompensieren, dass sie Bäume pflanzen, die entstandenes CO2 binden. Dass der Teufel aber im Detail liegt, zeigt Folgendes: Nach Ansicht des Landgericht Karlsruhe kann eine Klimaneutralität nicht durch Kompensation unter Nutzung von Waldschutzprojekten erzielt werden, da das produktbezogen emittierte Treibhausgas auf diese Weise nicht dauerhaft bilanziell neutralisiert wird (siehe LG Karlsruhe, Urteil vom 26.07.2023 – 13 O 46/22 – Umweltneutrales Produkt). Denn die Bäume binden das freigesetzte CO2 nur kurzfristig. Nach deren Absterben, sei es auf natürlichem Wege oder durch Waldbrände, wird es aber langfristig wieder freigesetzt. Eine dauerhafte Neutralisierung des emittierten CO2 ist daher durch Waldschutzprojekte nicht möglich und entsprechende Werbung nach Ansicht des Landgerichts Karlsruhe untersagt, da der Verbraucher von einer dauerhaften bilanziellen Kompensation ausgeht. Inwieweit andere Gerichte dieser strengen Auslegung folgen werden, bleibt abzuwarten. Dauerhafte Kompensationsmaßnahmen dürften nach derzeitiger Gesetzeslage jedoch weiterhin eine Werbung mit dem Claim „klimaneutral“ rechtfertigen.
Die Rechtsprechung beurteilt zudem bislang uneinheitlich, wo und in welchem Umfang der Verbraucher darüber aufgeklärt werden muss, auf welche Weise die „Klimaneutralität“ des beworbenen Produkts erreicht wird, insbesondere ob diese Information direkt auf der Produktverpackung abgedruckt sein muss oder ob es ausreicht, einen QR-Code auf dem Produkt aufzubringen, der zu weiteren Informationen führt Diese Frage ist derzeit aber unter anderem Gegenstand eines inzwischen beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahrens, sodass zumindest in dieser Frage bald Rechtssicherheit herrschen dürfte.
Die Werbung mit irreführenden umweltbezogenen Aussagen löst verschiedene Rechtsfolgen aus, die Wettbewerber und Verbraucherzentralen geltend machten können. Von besonderer Bedeutung ist der Anspruch auf Unterlassung und Rückruf auf der Vertriebskette, der erhebliche wirtschaftliche Folgen für den Werbenden hat. Recht neu, in der Praxis aber noch weitgehend bedeutungslos, ist ein Schadenersatzanspruch der geschädigten Verbraucher. Problematisch für den Werbenden ist, dass der Kläger meist die Wahl hat, bei welchem Gericht er Klage erheben will und so durch sog. „forum shopping“ taktisch bei dem Gericht Klage erheben kann, welches in der Vergangenheit durch eine strenge Rechtsprechung aufgefallen ist. Daher ist es empfehlenswert, sich bei der Konzeption umweltbezogener Werbung an der jeweils strengsten Rechtsprechung auszurichten.
Doch Vorstehendes betrifft nur die aktuelle Gesetzeslage. Während es derzeit noch an gesetzlichen Vorgaben zur Nachhaltigkeitswerbung fehlt, wird sich dies bald deutlich ändern: Nach einer Studie der EU-Kommission, in der 150 umweltbezogene Werbungen untersucht wurden, enthalten 53,3 Prozent vage, irreführende oder unbegründete Informationen über die Umwelteigenschaften der Produkte. Daher sieht die EU-Kommission Handlungsbedarf und beabsichtigt, umweltbezogene Werbung umfangreich zu regulieren. So sollen nach der am 17. Januar 2024 verabschiedeten und von den Mitgliedsstaaten ab Herbst 2026 anzuwendenden Regelungen der sog. Empowerment-Richtlinie vor allem die folgenden Aussagen untersagt werden:
Gerade der letzte Verbotstatbestand hat es in sich: Danach werden Werbeaussagen wie z.B. „klimaneutral“, „zertifiziert CO2-neutral“, „CO2-positiv“, „mit Klimaausgleich“, „klimaschonend“ oder „mit reduziertem CO2-Fußabdruck“ voraussichtlich ab Herbst 2026 unzulässig sein, soweit sich die behauptete Nachhaltigkeit – wie es derzeit typischerweise der Fall ist – aus Kompensationsmaßnahmen ergibt. Hintergrund der Regelung ist folgender: Verbraucher werden nach Ansicht der EU-Kommission anderenfalls in die Irre geführt, indem ihnen suggeriert wird, dass sich die Klimaneutralität auf das Produkt selbst bezieht und hierdurch der falsche Eindruck erweckt, dass das Produkt selbst keine Auswirkungen auf die Umwelt habe. Es soll zudem unzulässig sein, ein Nachhaltigkeitssiegel anzubringen, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht oder nicht von staatlichen Stellen festgesetzt wurde. Hierbei geht es der EU darum, dem Wildwuchs an unzuverlässigen Umweltsiegeln ein Ende zu bereiten.
Doch damit ist die Regulierung von umweltbezogener Werbung noch nicht abgeschlossen. Die EU-Kommission hat am 22. März 2023 zudem den Entwurf der sog. Green Claims Richtlinie vorgelegt. Der Richtlinienentwurf sieht nicht nur hohe Anforderungen an den Nachweis der Richtigkeit von umweltbezogenen Aussagen vor, sondern es ist auch eine Vorab-Zertifizierung von ausdrücklichen umweltbezogenen Aussagen und Umweltzeichen geplant, ähnlich wie bereits bei der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben. Diese Richtlinie wird derzeit aber noch diskutiert. Es ist zwar zu erwarten, dass die Richtlinie bald verabschiedet wird. Die einzelnen Mitgliedsstaaten müssen sie danach jedoch erst noch in nationales Recht umsetzen.
Ähnlich schaut auch die Rechtslage in der Schweiz aus – wobei zwischen „soft law“ und „hard law“ unterschieden werden muss. Die (einzige) rechtsverbindliche Bestimmung findet sich in Art. 3 Abs. 1 lit. b CH-UWG. Danach sind unrichtige und irreführende Angaben verboten. Oder anders ausgedrückt: Sämtliche Angaben in der kommerziellen Kommunikation müssen wahrheitsgetreu und klar sein.
Dieser allgemeine Grundsatz wird durch rechtlich nicht verbindliches „soft law“ weiter präzisiert, namentlich die am 19. Dezember 2023 von der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLK) veröffentlichte „Richtlinie – Kommerzielle Kommunikation mit Umweltbezug / mit Umweltargumenten“.
Die SLK ist eine unabhängige, branchengeführte Institution, die zum Zweck der Selbstregulierung in der Werbung gegründet wurde. Die SLK hat insbesondere in den vergangenen Jahren eine Zunahme von Beschwerden im Bereich umweltbezogener Werbung vernommen. Einige der Fälle, so beispielsweise der Entscheid im Zusammenhang mit der Kommunikation der FIFA zur Klimaneutralität der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar, erregten große auch mediale Aufmerksamkeit.
Die neue Richtlinie konsolidiert die bisherige Praxis der SLK im Bereich der Werbung mit umwelt- und klimabezogenen Aussagen und berücksichtigt dabei auch die jüngsten internationalen Entwicklungen (insbesondere die Green-Claims-Richtlinie in der EU). Die Richtlinie fasst zusammen, auf was in der Werbung mit Umweltbezug bzw. mit Umweltargumenten in der Schweiz geachtet werden sollte, damit die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen erfüllt sind.
Danach wird dem Klarheitsgebot entsprochen, wenn die folgenden Anforderungen kumulativ erfüllt sind:
Das Erfordernis der Wahrhaftigkeit verlangt, dass Werbende in der Lage sind, den Inhalt der in ihrer Werbung enthaltenen umwelt- oder klimabezogenen Darstellungen, Aussagen und Angaben zu beweisen. Die SLK stellt dabei klar, wie der Durchschnittsadressat die folgenden, häufig verwendeten umweltbezogenen Aussagen versteht:
Bei einer Beanstandung dieser oder ähnlicher Aussagen muss der Werbende der SLK plausible und nachvollziehbare Berechnungen auf der Grundlage allgemein anerkannter Methoden vorlegen können. Etwaige Nachweise für Kompensationsmaßnahmen müssen in Bezug auf ihre Wirksamkeit glaubhaft dargestellt werden. Die Beweislast liegt beim Werbetreibenden, der beantragen kann, dass die entsprechenden Unterlagen vertraulich behandelt werden.
Entspricht die Werbung diesen Anforderungen nicht, kann sie als unlauter eingestuft und zivil- und strafrechtlich geahndet werden.
Da die einschlägige Bestimmung des schweizerischen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sehr weit gefasst ist, bietet der neue Leitfaden eine wichtige Klarstellung für die Beurteilung der Frage, ob umweltbezogene Aussagen in der Werbung dem geltenden Recht entsprechen. Es wird erwartet, dass der Leitfaden nicht nur für die Praxis der SLK, sondern auch allgemein den Gerichten und Strafbehörden als Bezugspunkt dienen wird.
Positiv ist, dass die EU-Richtlinien sowie auch die Richtlinien der SLK einen klareren rechtlichen Rahmen schaffen werden. Durch die verschärften Anforderungen an umweltbezogene Aussagen dürfen diese zudem nur noch auf solchen Produkten auftauchen, die tatsächliche Vorteile für Umwelt und Klima bringen. Da solche Werbeaussagen damit weniger omnipräsent sind, steigt der Werbeeffekt für diejenigen Unternehmen, die sich ernsthaft Mühe geben, produktbezogene Emissionen zu reduzieren. Einen möglichen ökologischen Nachteil gibt es aber: Kompensationsmaßnahmen werden unattraktiv. Denn diese erlauben keine Werbung mehr mit Klimaneutralität und die hohen Hürden für umweltbezogene Werbung könnten zahlreiche Unternehmen davon abhalten, mit einem positiven Klimaeffekt zu werben und diesen anzustreben.
Festhalten lässt sich: Die Anforderungen an eine rechtmäßige umweltbezogene Werbung steigen weiter und gehen mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand einher. Die Entwicklung in Rechtsprechung und -setzung bleibt dabei äußerst dynamisch. Werbende müssen die aktuelle Entwicklung daher stets genau im Blick haben.
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