Warum Nachhaltigkeitskommunikation mehr ist als schöne Worte

von Nelli Sanne, Account Director bei Kontx Kommunikation

Podcastfolge mit zwei Kommunikationsexpertinnen

Nachhaltigkeit ist längst kein nice-to-have mehr – sie wird zum Wettbewerbsvorteil. Doch wie kommuniziert man Nachhaltigkeit glaubwürdig, ohne in die Greenwashing-Falle zu tappen? Im Podcast «Kaffee mit… Der Change und Kommunikationspodcast» spricht Host Sebastian Drews mit den beiden Kommunikationsexpertinnen von Kontx Kommunikation Nelli Sanne und Bettina Gebhardt über die Fallstricke und Chancen moderner und glaubwürdiger Nachhaltigkeitskommunikation. Sie zeigen, warum Begriffe wie «klimaneutral» oft problematisch sind, welche Prinzipien echte Nachhaltigkeit ausmachen und wie Unternehmen eine Nachhaltigkeitskommunikation aufbauen, die wirkt und hält, was sie verspricht.

Den ganzen Podcast könnt ihr hier hören:

Apple Podcast
Spotify

Wenn ihr das Gespräch lieber lesen möchtet, haben wir euch hier eine gekürzte Version erstellt:


Was versteht man unter Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitskommunikation?

Sebastian Drews:
Worüber reden wir eigentlich, wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen?

Nelli Sanne:
Nachhaltigkeit umfasst im unternehmerischen Kontext nicht nur Umweltaspekte, sondern schliesst auch die soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung mit ein. Das wird oft unter dem Begriff ESG (Environmental, Social, Governance) zusammengefasst. Ein nachhaltiges Unternehmen muss alle drei Bereiche berücksichtigen, nicht nur einzelne Aspekte wie Klimaschutz oder soziales Engagement.

Es gibt unterschiedliche Modelle zur Priorisierung dieser Themen. Ein Ansatz ist das Vorrangmodell, das den ökologischen Aspekt als grundlegend betrachtet: Ohne einen funktionierenden Planeten können auch soziale und wirtschaftliche Strukturen nicht langfristig existieren. Andere Modelle setzen hingegen auf eine gleichrangige Behandlung von E, S und G. Wichtig ist, dass Nachhaltigkeit nicht nur punktuelle Massnahmen umfasst, sondern ein Zusammenspiel aller drei Dimensionen beinhaltet. Unternehmen, die sich beispielsweise nur sozial engagieren, aber ökologische Probleme ignorieren, können sich nicht als wirklich nachhaltig bezeichnen. Nachhaltigkeit bedeutet also, alle relevanten Themenbereiche ganzheitlich zu betrachten und in die Unternehmensstrategie zu integrieren.

Sebastian Drews:
Wo liegt die Grenze zwischen glaubwürdiger Nachhaltigkeitskommunikation und Greenwashing?

Nelli Sanne:
Nachhaltigkeitskommunikation muss wesentlich und fundiert sein. Ein Unternehmen sollte nicht über Nachhaltigkeit sprechen, wenn es keine echte Strategie oder belegbare Massnahmen in diesem Bereich hat. Symbolische Aktionen wie ein Bienenhotel vor dem Firmengebäude oder eine grüne Logofarbe reichen nicht aus, um sich als nachhaltiges Unternehmen zu präsentieren. Es gibt Unternehmen, die bewusst versuchen, sich mit vagen oder irreführenden Aussagen einen Vorteil zu verschaffen – das ist klassisches Greenwashing. Häufiger jedoch passiert es unabsichtlich: Unternehmen haben durchaus sinnvolle Nachhaltigkeitsmassnahmen umgesetzt, kommunizieren diese aber unklar oder missverständlich. Ein häufiges Beispiel ist die Behauptung, CO₂-neutral zu sein, obwohl sich das nur auf einen kleinen Teil der Produktion bezieht oder lediglich durch Kompensationszahlungen erreicht wurde. Um Greenwashing zu vermeiden, sollten Unternehmen klar definieren, welche Massnahmen sie konkret ergreifen, diese mit überprüfbaren Daten belegen und sich nicht nachhaltiger darstellen, als sie es tatsächlich sind.

Oberflächliche oder gar irreführende Nachhaltigkeitskommunikation kann schnell zum Bumerang werden

Sebastian Drews:
Warum ist der Begriff «klimaneutral» oft problematisch in der Nachhaltigkeitskommunikation und wie sollten Unternehmen mit solchen Begriffen umgehen?

Nelli Sanne:
Der Begriff «klimaneutral» wird oft unbedacht verwendet, weil er nicht klar definiert ist. Viele Unternehmen nutzen ihn in ihrer Kommunikation, ohne genau erklären zu können, was er bedeutet oder wie sie ihn belegen können. Dadurch entsteht unbeabsichtigt Greenwashing – nicht aus böser Absicht, sondern aus Unwissenheit. Besonders grössere Unternehmen testen hier häufig die Grenzen aus, weil sie durch ihre Marktmacht weniger Konsequenzen fürchten. Kleine und mittelständische Unternehmen hingegen nehmen das Thema oft ernster, sind sich aber manchmal unsicher, wie sie es richtig kommunizieren sollen. Hier ist es entscheidend, ehrlich zu beraten: Wenn ein Unternehmen noch keine nachhaltigen Massnahmen umgesetzt hat, sollte es diesen Bereich in der Kommunikation erst einmal ausklammern. Eine glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation bedeutet, nur das zu kommunizieren, was wirklich belegt werden kann – wir können Unternehmen dabei unterstützen, eine langfristig glaubwürdige Strategie zu entwickeln

Nachhaltigkeitskommunikation glaubwürdig umsetzen stärkt die Reputation

Sebastian Drews:
Warum ist Nachhaltigkeit für die Unternehmenskommunikation wichtig, insbesondere wenn es darum geht, Risiken zu vermeiden?

Bettina Gebhardt:
Nachhaltigkeitskommunikation kann die Reputation eines Unternehmens erheblich stärken. Wenn Unternehmen transparent und glaubwürdig über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen sprechen, werden sie nicht nur für Kundinnen und Kunden, sondern auch für potenzielle Mitarbeitende und Geschäftspartner attraktiver. In der Praxis analysieren wir zu Beginn eines Mandats das Unternehmen genau, führen Marktanalysen und Interviews, um herauszufinden, in welchen Bereichen es bereits Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit gibt. Unternehmen, die hier klar und belegbar kommunizieren, steigern ihr Marktpotenzial und bleiben wettbewerbsfähig. Besonders in Branchen mit strengen Regulierungen kann eine glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation den entscheidenden Vorteil bringen – sei es im Austausch mit Lieferanten, Investoren oder Kunden.

Sebastian Drews:
Warum sollten Unternehmen vor allem auch in stark regulierten Branchen sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen?

Nelli Sanne:
Ein zentrales Argument ist die Risikoreduktion. Regulierungen werden in den kommenden Jahren immer strikter – insbesondere in der EU, aber auch in der Schweiz. Unternehmen in CO₂-intensiven Branchen wie Chemie, Stahl oder Pharma müssen bereits jetzt CO₂-Zertifikate kaufen und über ihren Ausstoss berichten. Wer diese Auflagen nicht ernst nimmt, riskiert nicht nur höhere Kosten, sondern auch Wettbewerbsnachteile. Zusätzlich wirkt der sogenannte Trickle-Down-Effekt: Auch Unternehmen, die selbst nicht berichtspflichtig sind, können von grossen Kunden dazu verpflichtet werden, nachhaltige Standards einzuhalten, um weiterhin Teil der Lieferkette zu bleiben. In der EU schreibt die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) detaillierte Berichtsstandards vor, und auch in der Schweiz müssen grosse Unternehmen bereits Nachhaltigkeitsberichte erstellen. Unternehmen, die sich frühzeitig anpassen, sichern sich langfristig Vorteile und vermeiden wirtschaftliche Risiken.

Sebastian Drews:
Wie kann man Greenwashing vermeiden, und welche Grundsätze sollte eine ehrliche Nachhaltigkeitskommunikation befolgen?

Nelli Sanne:
Um Greenwashing zu vermeiden, sollten Unternehmen sich nicht nachhaltiger darstellen, als sie tatsächlich sind. Es ist wichtig, keine vagen oder übertriebenen Aussagen zu machen, sondern konkret und überprüfbar zu kommunizieren. Das Prinzip von Klarheit und Wahrheit spielt dabei eine zentrale Rolle: Aussagen müssen belegbar sein und für die Zielgruppe eindeutig verständlich formuliert werden. Begriffe wie «klimaneutral», «umweltfreundlich» oder «nachhaltig» sind oft unklar – stattdessen sollten spezifische Angaben gemacht werden, z. B. «Unser Catering verwendet ausschliesslich Biogemüse aus Demeter-Anbau aus einem Umkreis von 10 Kilometern.» Auch die genaue Abgrenzung ist essenziell: Bezieht sich eine Nachhaltigkeitsbehauptung auf das gesamte Produkt, nur auf die Verpackung oder nur auf die Produktion? Zudem sollten Unternehmen erklären können, wie sie ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen – etwa, indem sie Emissionen reduziert oder lediglich kompensiert haben und welche Projekte sie unterstützen. Kritisches Hinterfragen und ein externer Perspektivwechsel helfen, Missverständnisse zu vermeiden.

Höchste Relevanz bei Nachhaltigkeitskommunikation: alle Informationen müssen zugänglich gemacht und zielgruppengerecht kommuniziert werden  

Sebastian Drews:
Wodurch kennzeichnet sich gute Nachhaltigkeitskommunikation, und welche Prinzipien sollte sie befolgen?

Nelli Sanne:
Gute Nachhaltigkeitskommunikation ist offen, ehrlich und transparent. Sie stellt nicht nur Erfolge in den Vordergrund, sondern spricht auch Herausforderungen und unvollständige Lösungen an. Unternehmen sollten klar kommunizieren, in welchen Bereichen sie noch nicht so weit sind, welche Probleme sie noch lösen müssen oder welche Massnahmen nicht funktioniert haben. Wichtig ist zudem, nicht belehrend oder überheblich zu wirken – das Thema Nachhaltigkeit sollte positiv und motivierend vermittelt werden. Ein spielerischer und inspirierender Ansatz kann helfen, mehr Menschen für das Thema zu begeistern. Ich finde es treffend zu sagen: «Let’s make Nachhaltigkeit sexy again!»

Sebastian Drews:
Warum sollten sich Management-Teams aus einer unternehmerischen Perspektive intensiv mit Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitskommunikation beschäftigen?

Bettina Gebhardt:
Nachhaltigkeitskommunikation bringt zahlreiche Vorteile für Unternehmen. Sie hilft, Kundinnen und Kunden zu überzeugen und zu binden, stärkt das Employer Branding, da nachhaltige Unternehmen für junge Talente attraktiver sind, und verbessert die Reputation. Zudem ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Innovationstreiber: Die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen und Berichterstattung macht Verbesserungspotenziale sichtbar und kann langfristig sogar Kosten sparen. Darüber hinaus gewinnt das Thema auch für Investoren und Banken an Bedeutung – eine schlechte ESG-Performance kann etwa die Kreditkonditionen verschlechtern. Schliesslich bieten klare Regularien einen strukturierten Rahmen, innerhalb dessen Unternehmen strategisch agieren und sich erfolgreich positionieren können. Daher ist Nachhaltigkeit im Unternehmen ein grosses Plus.

Key Takeaways Nachhaltigkeitskommunikation

  • Nachhaltigkeit umfasst mehr als nur Umweltaspekte. Unternehmen müssen ökologische, soziale und wirtschaftliche Faktoren ganzheitlich betrachten, um wirklich nachhaltig zu sein.
  • Glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation erfordert Transparenz und Fakten. Vage Aussagen oder übertriebene Behauptungen können schnell als Greenwashing wahrgenommen werden.
  • Begriffe wie «klimaneutral» sind oft problematisch. Unternehmen sollten genau erklären, worauf sich solche Aussagen beziehen und wie sie belegt werden können.
  • Nachhaltigkeit ist ein Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die klare Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln und glaubwürdig kommunizieren, stärken ihre Reputation, bleiben attraktiv für Talente und erfüllen regulatorische Anforderungen.
  • Ehrliche Kommunikation schafft Vertrauen und stärkt die Reputation. Unternehmen sollten offen über Herausforderungen sprechen, sich realistische Ziele setzen und kontinuierliche Verbesserungen sichtbar machen.